BAT – Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerbegleitung

Trauernden begegnen

In der Trauer des anderen begegnen wir auch immer uns selbst.
Der Schmerz und die Trauer von Menschen, die uns nahe sind oder denen wir in unserem Umfeld begegnen, sind nicht leicht auszuhalten. Viele von uns haben gelernt, dass Helfen verstanden wurde als „Auftrag, die Situation des anderen erleichtern und sein Leben heller machen zu müssen“. Damit stoßen wir in Kontakt mit Trauernden sehr schnell an Grenzen, denn angesichts eines schicksalhaften Ereignisses, welches das Leben der Betroffenen zutiefst und unerwartet erschüttert, sind Versuche, es „dem anderen gut zu machen“, nicht nur fehl am Platz, sondern lösen leicht den Zorn des Unverstandenseins oder zumindest Rückzug bei Trauernden aus.

Was aber können wir dem Schmerz, der Verzweiflung, Sinnleere, Angst und Hoffnungslosigkeit entgegensetzen, wenn wir spüren, dass Floskeln wie „es wird schon wieder“, „Du schaffst das schon“ oder „die Zeit heilt alle Wunden“ nicht hilfreich sind?



Begleiten heißt zur Seite stehen und zur Seite stellen.
Begleiten heißt nicht, „entgegensetzen“ sondern vielmehr „zur Seite stellen“. Das kann unser Verständnis sein, unsere Anerkennung der Tiefe des Erlebens im anderen, unser Zuhören, Dasein, Mitfühlen und Aushalten. Zuweilen geht es vor allem darum, den vielfältigen Gefühlen der Trauer Raum zu geben und zu deren individuellem Ausdruck zu ermutigen. Oft sind es ganz praktische Hilfen in der Zeit nach dem Verlust, aber auch später, wenn das Leben und der Alltag ohne den anderen bewältigt werden müssen, die Beistand bieten. Manchmal fühlen sich Trauernde einfach dadurch unterstützt und angenommen, dass jemand sich immer noch bei ihnen meldet und sie zu Unternehmungen mit einfachen Alltagsgesprächen einlädt, obwohl sie immer noch ihre Niedergeschlagenheit und ihren Schmerz mitbringen.



Trauergespräche und Alltagsbedürfnisse.
Über den/die Verstorbenen, das Verlorengegangene zu sprechen, kann Trauernden helfen, die Erinnerung zu beleben, ihre Beziehung zu klären und damit Verbindung zu stärken. Das braucht jedoch ein Gegenüber, das absichtslos den Gedanken, Fragen und Gefühlen zuhört, ohne diese bewerten, verändern oder gar korrigieren zu müssen, auch wenn sie von der oder dem Trauernden vielleicht schon viele Male geäußert wurden.

Dies braucht auch das Bewusstsein, dass Trauer sich genau mit dem ausdrückt, was jetzt gerade wichtig und sinnvoll ist. Und dass kein/e noch so gut geschulter und bewusster Begleiter/in je wissen kann, was die/der Trauernde gerade empfindet, durchmacht und in der Bewältigung der Situation „leistet“. Die Kompetenz über das eigene Leben und den ureigenen Trauerweg bleibt immer bei den Betroffenen selbst.

Zugleich muss sich nicht immer alles um Verlust und Trauer drehen, das Leben besteht nach wie vor auch aus vielen anderen Aspekten und diese werden im Laufe des Trauerprozesses auch mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Ein gemeinsamer Spaziergang, Kaffeehaus- oder Kinobesuch, ein Mittagessen wie es „früher“ war, kann der/dem Trauernden die Gewissheit geben, dass sich nicht alles verändert hat, dass es auch noch „Sicherheiten“ und Vertrautes gibt, das bleibt.



Alles darf seinen Platz finden
Trauernde begleiten heißt auch, der spürbaren Hoffnungs- und Sinnlosigkeit, Schmerz und Tränen, Wut und Zorn, Schuldgedanken und -gefühlen Gehör zu schenken und den Wunsch selbst „nach zu sterben“ oder die Gewissheit im Trauernden, es könne nie mehr gut werden, anzuerkennen als das, was jetzt gerade da ist und ausgedrückt werden möchte.

Eine idealisierende Darstellung des verstorbenen Menschen ist Teil des Abschiednehmens und darf ihren Platz finden im Prozess der Annäherung an das, was man einander gewesen ist und der Suche nach dem, was bleibt. Im Trauerprozess wird diese Sicht sich verändern und einem realistischen Bild zweier einander verbundener Menschen Platz machen, die dennoch ihre Ecken und Kanten und auch einen dem Partner nicht zugänglichen Anteil hatten.



Anteilnahme über die erste Zeit hinaus
Oft beginnt für Menschen in Trauer nach zwei bis drei Monaten die schwerste Zeit. Die Umwelt ist wieder zur Tagesordnung übergegangen und befindet, dass es nun auch für den Trauernden wieder „gutwerden sollte“. Sätze wie „Geh doch wieder unter die Leute“, „Du musst auch loslassen können“, „Du bist ja noch jung, Du wirst noch Kinder bekommen können“ treffen Menschen nach einem schweren Verlust wie ein Keulenschlag. Jede/r die/der sich mit dem Thema Trauer auseinandergesetzt hat, weiß, dass Trauer Zeit braucht und gerade an besonderen Tagen wie familiär bedeutungsvollen Festtagen oder Jahrestagen in einer Intensität daherkommt, als wäre der Verlust gerade erst passiert.

Hier kann Begleitung auch ansetzen, indem ein Brief, eine Karte mit Gedanken über die/den Trauernde/n, aber auch über die eigenen Gefühle und Gedanken zur/m Verstorbenen das Zeichen setzen: Ich habe Dich und ihn/sie nicht vergessen. Ich denke an Dich in dieser besonderen Zeit. Auch das kann tröstende Wirkung entfalten.



Mai Ulrich, Trauerbegleiterin, Hospiz-Bewegung Salzburg